IISH

Gesetzliche Grundlagen

Die gesetzlichen Grundlagen für die Erfassung der lippischen Wanderziegler sind noch nicht erschöpfend untersucht worden. Sie haben sich ursprünglich öfters aus der Praxis heraus entwickelt und wurden erst spät in offizielle Regelungen und Gesetzen überführt wurden. Vor allem die Überlegungen, die beim Zustandekommen solcher Gesetze eine Rolle spielten, haben bisher noch kein ernsthaftes wissenschaftliche Interesse gefunden, ebenso wenig wie die Praxis in den verschiedenen Ämter im Sinne einer sozialhistorisch orientierten Verwaltungsgeschichte und bei den Ziegelboten. Es folgt eine knappe Übersicht über die wichtigsten Gesetze und Regelungen für die Ziegelboten und die Anfertigung von Passlisten.

Gesetzliche Grundlagen für die Tätigkeit der Ziegelboten

Seit Ende des 17. Jahrhunderts läßt sich die Arbeitsvermittlung für lippische Wanderarbeiter belegen. Die lippische Regierung erteilte am 14. März 1714 dem Boten Hartwig Eckensträter auf sein Ersuchen ein Monopol für die Vermittlung von Zieglern nach Ostfriesland und Groningen (L 37 X Nr. 4 c, fol. 13-20).
Die Verordnung wegen des außer Landes in Dienst gehenden Amts-Unterthanen vom 03.Februar 1778 (LV Bd. II, S. 645; vgl. in L 77 A Nr. 4698, fol. 26-29 und Nr. 4733) verpflichtete den Ziegelboten jährlich, vor Beginn der Ziegelsaison, eine Namenliste von erforderlichen Zieglern bei der Regierung in Detmold einzureichen, um diese mit den Passlisten abgleichen zu können.
Seit 1802 wurden zwei Distrikte konzessioniert: neben Ostfriesland-Groningen (I. Distrikt) auch Oldenburg-Hannover (II. Distrikt) (vgl. in L 77 A Nr. 4698, fol. 158 und weiter fol. 68-76, 115, 319-330, 372-376, 437).
Die Bekanntmachung, die Ernennung von Ziegelboten und deren Instruction betreffend vom 8. Februar  1842 (LV Bd. VIII, S. 935) bestätigte die 1841 erfolgte Abspaltung eines III. Distrikt und die revidierten Grenzen zwischen den Distrikten. Überdies mussten die Ziegelboten fortan laut Artikel 7 „im Herbst jeden Jahrs über den Gang des Gewerbes, Verdienst, Gesundheitszustand der Arbeiter u.s.w. der Regierung ausführlichen Bericht erstatten.“ (siehe 'Die Jahresberichte der Ziegelboten').
Das Gesetz über die gewerblichen Verhältnisse der Ziegelarbeiter und Ziegelagenten vom 8. Juli 1851 (LV Bd.X, S. 481) war der am meisten systematische und umfassende Versuch, die Arbeitsmigration der lippischen Ziegler zu steuern. Artikel 11 legte fest: „Die Ziegelagenten haben eine Konzessions-Abgabe zu entrichten, welche von der Regierung nach Befinden der Umstände auf 100 Rthl. bis 150 Rthl. für jeden festgesetzt wird. Von dieser Abgabe fließen 2/3 in den General-Armenfonds und 1/3 in die zu errichtende Kranken- und Sterbekasse der Ziegelarbeiter.“ Das Gesetz legte auch die Grenzen zwischen den (damals noch drei) Distrikten genau fest. Bei Einführung von Kranken- und Sterbekassen sollten die Rechnungen von einem Ausschuss genehmigt werden, der aus sechs bis 12 Meistern bestand, die in der jährlichen Generalversammlung der Brandmeister eines Distrikts gewählt wurden. Auch an anderen Stellen stärkte das Gesetz die Mitwirkungsmöglichkeiten der Ziegler. So sollten die Agenten (Boten) künftig durch eine Wahl aus dem Kreise der Kandidaten, die von der Regierung akzeptiert worden waren, bestimmt werden; zu dieser Wahl waren alle über 25 Jahre alten Ziegler des Distrikts zugelassen. Bei gerechtfertigten Klagen konnte der Bote entlassen werden Die Ernennung zum Brandmeister erfolgte durch dem schon erwähnten Distriktausschuss von sechs bis 12 Meister; dieser Ausschuss beriet den Agenten auch in anderen Angelegenheiten. Die Ernennung zum Meister für einen Distrikt galt fortan auch für die anderen Distrikte. Ein Schiedsgericht wurde gebildet, bestehend aus dem Agenten, drei Meistern aus dem Ausschuss, zwei Zieglern, die nicht Meister waren, und einem rechtskundigen Beisitzer.
Die Gliederung der Distrikte erfuhr am 2. Januar 1867 ihre letzte Veränderung durch Abspaltung eines IV. Distrikts. Die Einführung der Gewerbefreiheit im Norddeutschen Bund 1869 beendete die gesetzlich abgesicherte Tätigkeit der lippischen Ziegelboten.

Gesetzliche Grundlagen der Pässe

Angeblich wurde schon am 10. September 1604 die erste lippische Polizeiordnung gegen das Arbeiten „im Ausland“ publiziert. Ihr Inhalt wurde später in unterschiedlichen Formulierungen wiederholt: 1620 („kein Tagelöhner oder Handwerksmann“), 1655 und 1680 (mit dem Verbot des Wanderns und dem Verbot, „andere zu bereden“, was vielleicht auf die Anfänge der Arbeitsvermittlung z. B. durch Ziegelboten hindeuten könnte) und 1682 (hier zum ersten Mal mit expliziter Erwähnung der „Ziegelarbeit“). Doch erst die Verordnung wegen der Holl(and)- und Frieslandgänger vom 9. März 1711 (LV Bd. I, S. 488-492) verbot es den „jungen Leute auf dem platten Lande“, ohne einen von der Regierung in Detmold überreichten Pass sich „nacher Fries- oder Holland zu begeben.“ Diese Bestimmung wurde wiederholt in Verordnungen von 1730, 1734 (mit einer Verpflichtung für die Boten, auf die Einhaltung der Passpflicht zu achten) 1765 (unter Bezugnahme auf die „Enrollierung“, d. h. die militärische Dienstverpflichtung junger Männer von 16-28 Jahren) und vom Januar 1778.

Im Jahr 1778 folgen zwei grundlegende Verordnungen für die Abgabe und Registrierung der Pässe:
-   am 3. Februar 1778 die Verordnung wegen der außer Landes in Dienst gehenden Amts-Unterthanen (LV Bd. II, S. 488-492). Sie lautet: „diejenige, welche […] au­βer Landes in Dienste zu gehen gedächten, sich 14 Tage vor ihrer Abreise zur Erhaltung der Erlaubnis und des Passes beim Amte oder Amtsvogt melden.” Das Amt durfte den Pass ausgeben, wenn „nach vorhergegan­ge­ner, mit Zuziehung der Dorfschaftsvorsteher geschehener Untersu­chung“ klar geworden war, „daβ sie von den Colonaten oder Stätten oder auch sonst ohne Nachtheil der Gemeinde entbeh­ret  werden können“. Zur Kontrolle des Gesindemangels mussten die Wanderarbeiter sich also zwei Wochen vor ihrer Abreise in den Ämtern, also in den untersten staatlichen Behörden und nicht mehr in der Hauptstadt Detmold, melden, um einen Pass zu beantragen; der Zieglerbote wurde angewiesen, nur diejenigen Arbeiter mitzunehmen, die einen gültigen Pass vorweisen konnten und von diesen musste er Listen anfertigen, welche zunächst mit den auf den Ämtern geführten Passlisten verglichen werden sollten.
-   am 22. Dezember 1778 die Verordnung wegen der außer Landes gehenden Unterthanen (LV Bd. II, S. 657-658): Sie bekräftigte die vorige Verordnung vom 3. Februar 1778 und gab außerdem ein allgemein verbindliches Schema vor, nach dem die Listen zu führen waren.
Die Verordnungen von 1778 wurden noch verschiedene Male wiederholt: 1782, 1791, 1795, 1799 (Verbot unter 20 Jahre), 1803, 1809, 1810.

Ursprünglich wurden all diese Bestimmungen erlassen, um sicherzustellen, dass die Untertanen ihren Verpflichtungen aus der Grund- und Leibeigenschaft nachkamen. Die 1765 eingeführte militärische Dienstpflicht lieferte ein weiteres Motiv. Nachdem mit der Abschaffung der persönlichen Hörigkeit (1809) die Kontrolle über die Lehensdienste weggefallen und mit der Einführung der „Conscription“ (2. Juli 1811 Verordnung, die Conscription betreffend, LV Bd.VI, S. 45-58) die Erfassung der Soldaten grundsätzlich verbessert worden war, entfiel zu Beginn des 19. Jahrhunderts die sachliche Grundlage, um die Migration weiter zu kontrollieren. 1826 fragte die Regierung ein letztes Mal nach Listen gemäß der Verordnung von 1778.